Workshop „Struktur und Optimierung in der Informatik“ 2007
Mit welchem Gefühl denken Sie heute an ihre Studienzeit zurück?
Uwe Matrisch: Meine Studienzeit war eine sehr positive Zeit. Die ersten zwei Jahre waren, wenn ich ehrlich bin, eher Party als alles andere. So langsam angegangen zu studieren habe ich eigentlich erst, als ich wusste, wohin ich ins Praxissemester gehe, weil ich da ein Ziel und eine Idee hatte, was aus der ganzen Zeit überhaupt werden konnte. Das hat dem ganzen noch einen riesigen Schub gegeben. Ich hatte sehr gute Professoren, sehr unterschiedliche Professoren, die mir nicht nur fachliche Dinge beigebracht haben, sondern bei denen ich auch ein paar andere Sachen gelernt habe. Ich erinnere mich immer noch an Professorin Witzer, die Sachen in den Raum geworfen hat wie: „Jedes Opfer ist zu fünfzig Prozent selbst schuld.“ Das waren einfach Sachen, über die man dann diskutiert hat und wo sich auch Weltbilder so ein bisschen gedreht oder verfestigt haben.
Was hat Ihnen im Studium für Ihren jetzigen Beruf am meisten geholfen?
Matrisch: Bestimmte Module oder Fächer, das ist immer ein bisschen merkwürdig, weil diese wahrscheinlich nicht unbedingt die typischen Verlagshersteller-Module sind. Qualitätsmanagement war etwas, das mir Ideen von Prozessen gegeben hat, also wo ich dann wirklich wusste, so können Prozesse funktionieren, und es ist wichtig, dass Dinge gemessen werden. Das war sehr wichtig für mich und das begleitende „Operational Research“. Das waren die beiden Sachen, die mir einfach noch einmal ganz andere Ideen von dem, was wir da taten oder tun gegeben haben. Ansonsten waren es auch die kreativen Sachen, wie Typografie, die einfach großen Spaß gemacht haben.
Haben Sie sich nach Ihrem Abschluss für die Arbeitswelt gewappnet gefühlt?
Matrisch: Das ist wirklich eine ganz interessante Frage. Ich muss ehrlich sagen, dass als ich mir im Jahr 2000 den Job gesucht habe, da war das auch nicht ganz so einfach, der Arbeitsmarkt war nicht so toll. Ich hatte aus meiner Sicht schon riesengroßes Glück, dass ich einen ganz guten Job hier in Leipzig gefunden habe. Allerdings war ich der erste und einzige Hersteller in der Firma. Die anderen waren Naturwissenschaftler, die mit „Tex“ gesetzt haben. Für mich war das schon ein Sprung ins kalte Wasser, und dadurch habe ich mich unsicher gefühlt. Ich habe mich nicht wirklich gewappnet gefühlt, ich war unsicher wegen dieses Sprungs und weil ich praktisch in eine Umgebung kam, die noch nicht fertig war, die ich erst bauen musste. Da herrschte bei mir Unsicherheit.
Wie war Ihr Werdegang nach dem Studium?
Matrisch: Ich fange einmal kurz noch vor dem Abschluss an, weil ich mein Praxissemester beim wissenschaftlichen Springer Verlag gemacht habe. Da habe ich Le-Tex als kleine Satzfirma kennen gelernt, die praktisch eine Zeitschrift gesetzt hat, die ich als Praktikant betreut habe. Also bin ich nach meinem Praktikum dahingegangen und wollte eigentlich als Setzer neben dem Studium ein bisschen Geld verdienen. Das habe ich auch gemacht und so ist es dort, neben dem Studium, auch zur ersten Anstellung als Hersteller gekommen. Dort war ich dann so 13 Jahre. Es gab keinen wirklichen Firmenwechsel vom Arbeitgeber her aber es gab viele Wechsel innerhalb der Zeit. Ich habe so alle zwei Jahre dort einen ganz neuen Job gehabt und genau das hat es einfach interessant gemacht und wahrscheinlich war das Problem, dass das irgendwann nicht mehr so war, sondern dass sich Dinge verfestigt haben. Dann habe ich ein Angebot bekommen von einem französischen Verlagsdienstleister „Jouve“, und was mich dort gereizt hat, war die Arbeit in einem internationalen Umfeld. Das habe ich zwei Jahre gemacht und dann festgestellt, dass so ganz große Firmen wahrscheinlich nicht ganz so gut zu mir passen oder ich nicht zu denen, und bin dann zu Konvertus gegangen.
Was war die bisher beste Entscheidung Ihrer Laufbahn?
Matrisch: Die beste Entscheidung war wirklich ganz am Anfang zu Le-Tex zu gehen, weil ich dort technisch einfach unglaublich viel gelernt habe. Ich bin einfach ins kalte Wasser gesprungen und musste schwimmen. Auch habe ich dort viel über das, was man Soft-Skills nennt, gelernt, und bin in dem Job unglaublich schnell erwachsen geworden. Das war sehr gut.
Welchen Rat würden Sie heutigen Studienanfängern/-innen geben?
Matrisch: Ein Tipp ist vielleicht sich bei der Stellenwahl nicht nur auf Verlage zu beschränken, sondern auch die Dienstleister im Auge zu haben. Ich glaube, bei einem Dienstleister lernt man relativ viel über unterschiedliche Verlagsarten, und man lernt wie unterschiedlich Kunden arbeiten. Ich denke, dass das etwas ist, wo man am Anfang viel lernt und eine größere Bandbreite an unterschiedlichen Prozessen und so weiter kennenlernt.
In welche Richtung wird sich Ihrer Meinung nach der Studiengang in den kommenden Jahren entwickeln?
Matrisch: Ich glaube das Prozess und Prozessmanagement relevante Dinge sind. Nicht nur Projektmanagement, sondern auch Prozessmanagement. Das sind zwei unterschiedliche Geschichten, die aber beide eine Rolle spielen sollten. Das finde ich ganz wichtig. Vielleicht sollte man auch den Publikationsbegriff größer fassen. Buch- und Medienproduktion ist ja schon, ich sage mal, sehr breit, aber Dokumente gibt es überall, und im Endeffekt geht es um Dokumentmanagement. Dokumente müssen gestaltet werden, sie müssen alle in die richtige Ausgabeform, technisch und gestalterisch, gebracht werden, und ich glaube, wenn man das Ganze weiter betrachten würde, wäre das Studium vielleicht noch ein Stück weit interessanter. Ich glaube, dass auch so etwas wie technische Kommunikation eine Rolle spielen kann und sollte, nicht nur als untergeordnetes Thema.
Wie gestaltete sich die Lernkurve in den ersten Wochen Ihres damals gefundenen Berufs?
Matrisch: Ich glaube da gibt es unterschiedliche Dinge, die man lernt. Das erste, was man lernen muss, ist dieser Arbeitsalltag, wirklich direkte Chefs zu haben, acht Stunden oder mehr am Stück auch mal langweilige Dinge tun oder eben immer das Gleiche zu tun. Auch mit Kunden zu arbeiten muss man lernen. Das sind wahrscheinlich diese typischen Dienstleister-Erfahrungen, und etwas, das ich vorher so nicht hatte. Die Kommunikation mit Kunden ist einfach eine andere als mit Lieferanten oder Kollegen. Das waren Dinge, die ich lernen musste. Es ging nicht unbedingt um technische Dinge, sondern eher um ein berufsspezifisches soziales Verhalten.
Wie hat sich die Zeit zwischen Studium und Arbeit damals für Sie gestaltet?
Matrisch: Ich habe ja als Student schon dort gearbeitet, hatte allerdings andere Aufgaben. Ich habe mehr in „Tex“ gesetzt und Korrektur gelesen und insofern war es wirklich ein fließender Übergang. Die Arbeitszeiten haben sich irgendwann geändert, und aus Teilzeit wurde Vollzeit.
Welche Erwartungen hatten Sie damals an das Studium "Verlagsherstellung" und hatten sich diese erfüllt?
Matrisch: Es gibt natürlich eine gewisse Motivation, mit der man so ein Studium beginnt, und bei mir war das ganz am Anfang „Schöne Bücher machen“. Das ist ganz klar meine Motivation gewesen. Das hat sich dann während des Studiums stark verändert, weil ich gemerkt habe, dass alles mehr in Richtung IT ging. Wahrscheinlich war es auch die Änderung in der Verlagswelt genau um diese Zeit (1996 bis 2000), als einfach ein bisschen was passierte und meine Interessen sich dann verändert haben. Insofern haben sich meine Erwartungen verändert, und diese veränderten Erwartungen wurden dann zum Schluss erfüllt.
Wie hat sich das Berufsbild der Verlagsherstellenden in den letzten 20 Jahren verändert?
Matrisch: Das ist wirklich eine ganz schwere Frage. Ich glaube, das Berufsbild war auch schon 1996 sehr divers. In jedem Verlag war der Herstellerberuf anders. Einmal lag der Fokus auf dem Einkauf, dann lag der Fokus auf dem Selbstmachen und Gestalten oder Setzen oder was auch immer. Das heißt, entsprechend divers war das und ist es glaube ich immer noch. Für mich gibt es immer die Pole, projekt- oder prozessbezogen zu arbeiten, und beides kann total wichtig sein und dem entsprechend ist man dann Projektmanager oder Prozessmanager. Das sind zwei total unterschiedliche Qualifikationen. Natürlich ist alles viel technifizierter geworden, und man arbeitet teilweise mit anderen Medien, teilweise mit anderen Standards. Aber ich glaube einfach, dass es immer noch darum geht, ein Produkt zu machen und das als Projekt zu betrachten. Man könnte zum Beispiel sagen: Ich habe jetzt einen Projekt-Start und das Finale ist, dass das Buch in der Auslieferung oder in der Buchhandlung liegt. Ein anderes Beispiel ist, dass ich einen Prozess manage, welchen viele Dokumente durchlaufen, die gewissen Standards entsprechen müssen. Wahrscheinlich gibt es mittlerweile einfach mehr Verlage und Institutionen, die diesen Prozessmanager brauchen, aber eigentlich gab es diese beiden Pole schon immer. Darum glaube ich, dass die Veränderungen geringer sind, als es manche Leute wahrnehmen, wenn man es ein Stück weit abstrahiert.
(Januar 2018)
Dieses Interview wurde von Studierenden des Studiengangs Buch- und Medienproduktion geführt und zuerst unter https://bmbpfadfinder.wordpress.com/ veröffentlicht – dort auch mit dem entsprechenden Film! Wir danken für die Möglichkeit, es hier erneut zu veröffentlichen.